Mensch und Raum – Schriften Band VI; Anthropologische Pädagogik – Schriften VII; Existenzphilosophie und Pädagogik – Schriften VIII
Autor*in: | Otto Friedrich Bollnow |
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Verlag: | Königshausen & Neumann, Würzburg 2011, 2013, 2014, 255, 303 und 327 Seiten |
Rezensent*in: | Gerhard Danzer |
Datum: | 11.09.2014 |
Otto Friedrich Bollnow (1903-1991) war ein deutscher Philosoph und Pädagoge, der einen etwas ungewöhnlichen Weg hin zur philosophisch-pädagogischen Laufbahn einschlug. Nach dem Abitur studierte er vorerst Mathematik und Physik bei Niels Bohr und Max Born in Göttingen. Auch promovierte und habilitierte er sich bei Georg Misch in Göttingen mit Themen aus der Physik und Philosophie. Über eine Lehrtätigkeit an der reformpädagogisch orientierten Odenwaldschule stieß Bollnow auf die Pädagogik, die ihn in ihren Bann zog. Er wurde Privatdozent und später Professor für Pädagogik und Philosophie an den Universitäten Göttingen, Gießen und Kiel – wobei diese akademische Karriere während der faschistischen Herrschaft in Deutschland zustandekam. Bollnow war kein widerständiger Geist, sondern ein NS-ideologischer Parteigänger und Mitläufer, der in Alfred Rosenbergs antisemitischem Kampfbund für deutsche Kultur ebenso Mitglied war wie in der NSDAP.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bekleidete Bollnow Professuren für Philosophie und Pädagogik, zuerst in Mainz und später in Tübingen. Dabei integrierte er geschickt Gedanken und Methoden aus der Lebensphilosophie, Phänomenologie, Existenzphilosophie sowie aus der Hermeneutik in eine eigene philosophische Pädagogik und Anthropologie. Seine philosophischen Gewährsmänner waren vor allem Wilhelm Dilthey, Martin Heidegger und Karl Jaspers. Aber auch viele andere wohlklingende Namen aus der europäischen Geistes- und Kulturgeschichte tauchen in den Schriften Bollnows auf, dem man eine diesbezüglich breite Bildung attestieren darf.
Zu den bekanntesten Schriften Bollnows zählen Das Wesen der Stimmungen (1941), sein Buch über Dilthey – Eine Einführung in seine Philosophie (1936) sowie die beiden Bände Existenzphilosophie (1943) und Lebensphilosophie (1958). Daneben hat Bollnow eine lange Reihe von Aufsätzen, Abhandlungen und Büchern zu Themen der Pädagogik, Anthropologie und Hermeneutik verfasst, die als Oeuvre das Denken dieses vorrangig pädagogisch interessierten und orientierten Philosophen widerspiegeln.
Es ist sehr zu begrüßen, dass der Verlag Königshausen & Neumann in Würzburg seit einigen Jahren eine auf zwölf Bände angelegte Studienausgabe mit den wichtigsten Schriften Bollnows ediert; auf drei dieser Bände (Mensch und Raum; Anthropologische Pädagogik; Existenzphilosophie und Pädagogik) sei hier hingewiesen. Die meisten Aufsätze des Philosophen waren in den letzten Jahrzehnten nur schwer auffindbar, so dass ein solider Überblick und ein Gesamturteil über das Werk Bollnows nur bedingt möglich waren.
So darf man gespannt sein, ob in den noch ausstehenden Bänden Andeutungen oder explizite Erläuterungen Bollnows zu seiner eigenen Haltung und zu derjenigen seiner akademischen Kollegen während des Nationalsozialismus zu finden sind. In den Bänden VII und VIII über Anthropologische Pädagogik sowie Existenzphilosophie und Pädagogik begegnet man zwar Kapitelüberschriften, die diesbezügliche Hoffnungen wecken (Die Krise; Der neue Anfang; Die Kulturkritik); diese Hoffnungen werden allerdings beim Studium der einzelnen Kapitel arg enttäuscht.
Ein philosophisches Leben zu führen heißt nicht, sich nicht zu täuschen und zu irren; Otto Friedrich Bollnow war einer von vielen, damals noch relativ jungen Intellektuellen (er war zu Beginn der NS-Herrschaft dreißig Jahre alt), die sich mehr oder minder intensiv auf die totalitäre Weltanschauung einließen oder sie nolens volens über sich ergehen ließen. Es zeichnet einen Philosophen allerdings aus, dass er im Nachhinein Irrtümer erkennt und sie in einen größeren Verstehens-Zusammenhang einordnet. Man darf deshalb die kommenden Bände der Studienausgabe auch kritisch daraufhin untersuchen, inwiefern sie Material enthalten, das uns demonstriert, ob und wie Bollnow diese philosophisch-intellektuelle Leistung der Redlichkeit gemeistert hat.