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Philosophie

Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Band 5

Autor*in:Jürgen Mittelstraß (Hrsg.)
Verlag:J.B. Metzler Verlag, Stuttgart 2013, 629 Seiten
Rezensent*in:Gerhard Danzer
Datum:12.08.2013

Unter einer Enzyklopädie versteht man ein besonders umfangreiches Nachschlagewerk, das sich durch große Themenbreite ebenso wie durch Ausführlichkeit und Tiefgang der erörterten Sachverhalte oder Problem-Felder auszeichnet. Bekannt geworden und in gewisser Weise als schon Jahrhunderte währender Maßstab für andere Nachschlagewerke ist die große französische Enzyklopädie(1751-1780) zu nennen, die von Denis Diderot und seinen Mitarbeitern verfasst und herausgegeben wurde. Vergleichbar sind im deutschsprachigen Raum die Brockhaus Enzyklopädie (ab 1808) sowie Herders Universal-Lexikon, und im englischsprachigen Raum ist seit dem 18. Jahrhundert die Encyclopaedia Britannica (ab 1768) als beinahe berühmt anzusehen.

In den letzten Jahrzehnten mehrten sich die Stimmen, die von einem Aussterben dieser großangelegten editorischen Meisterleistungen sprechen. Stattdessen schieben sich virtuelle, Computer- und Internet-gestützte Enzyklopädien in den Vordergrund, zu denen als bekannteste die 2001 gegründete Wikipedia (eine Nachschlage-Plattform) zählt. Auch andere Internet-basierte Enzyklopädien haben in letzter Zeit zunehmend Marktanteile für sich erobert. In gewisser Weise hat bereits Herbert George Wells in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts für eine solche „Welt-Enzyklopädie“ geworben, von der er sich erhoffte, sie möge ständig wachsen und zugleich durch die Benutzer ständig verifiziert werden.

Allenfalls Spezial-Enzyklopädien (sofern dies nicht ein Widerspruch in sich selbst ist) haben nach Auskunft der Experten demnach noch eine Zukunft. Der Neue Pauly als Enzyklopädie des Altertums, das Historische Wörterbuch der Philosophie, Kindlers Literaturlexikon oder auch das Historische Wörterbuch der Biologie (im Metzler-Verlag erschienen) sind zeitgenössische Beispiele für derartige Unternehmungen, bei denen ein Teilbereich des Wissens, meist auf eine Einzelwissenschaft bezogen, mit großer Detailtiefe dargestellt wird.

Bei der hier angezeigten und besprochenen Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie handelt es sich um eine Spezial-Enzyklopädie, die sich jedoch aufgrund ihrer philosophischen Ausrichtung immer wieder fragen muss, wie sehr sie auch Aspekte jenseits der Wissenschaftstheorie abzuhandeln gedenkt. Im vorliegenden Band 5 kann man die diesbezüglichen Interessenskonflikte der Autoren am Terminus „Masse“ demonstrieren. Bei diesem Begriff haben sich die Herausgeber dafür entschieden, die physikalische Bedeutungsebene ins Visier zu nehmen und die soziologische, psychologische und anthropologische Dimension von Masse zu vernachlässigen. Unter wissenschaftstheoretischen Kriterien betrachtet ist ein solches Vorgehen nachvollziehbar, unter philosophischen jedoch ein merkliches Defizit.

Trotz dieser Vorbehalte lässt sich aus der Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie außerordentlich viel Wissen und Erkenntnis gewinnen. Dafür sorgt allein schon der Herausgeber- und Mitarbeiterstab unter Leitung des Konstanzer Philosophen und Wissenschaftstheoretikers Jürgen Mittelstraß (geboren 1936). Diese Enzyklopädie erschien in einer ersten, vierbändigen Ausgabe zwischen 1980 und 1996. Wie sehr derartige Nachschlagewerke trotz ihrer Internet-Konkurrenz bestehen können, wird allein schon an der Tatsache ersichtlich, dass seit 2005 eine Zweitauflage bewerkstelligt wird, die auf insgesamt acht Bände angelegt ist. Der nun erschienene fünfte Band induziert Spannung und Vorfreude auf die kommenden Bände.