Die Öffnung der blockierten Wahrnehmung – Merleau-Pontys radikale Reflexion
Autor*in: | Hans Bischlager |
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Verlag: | Aisthesis-Verlag, Bielefeld 2016, 251 Seiten |
Rezensent*in: | Gerhard Danzer |
Datum: | 07.03.2016 |
Der französische Philosoph Maurice Merleau-Ponty (1908-1961), zeitweise eng befreundet mit Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre, betonte bei Gelegenheit, die Aufgaben eines philosophischen Denkers begännen nicht damit, über die Welt etwas Kluges zu sagen, sondern sich und anderen Rechenschaft darüber abzulegen, wie er mit dieser Welt in Kontakt kommt.
Merleau-Ponty selbst hat dies in seinen Vorlesungen und Schriften immer wieder exemplifiziert; als zentralen Topos bei der Wahrnehmung von Welt und beim Nachdenken und Urteilen über die Welt stieß er auf den eigenen Leib, den er als Medium der Welthabe und unhintergehbare Verankerung eines jeden von uns in der Welt bezeichnete. Merleau-Ponty zufolge bedeutet der Leib das präreflexive, präverbale und präpersonale Fundament unserer Existenz, in den unser Bewusstsein, Denken, Wollen, Urteilen und Entscheiden eingebettet ist: Unser Geist ist inkorporiert – so die Formulierung Merleau-Pontys.
Jede philosophische Bemühung – sei sie ethischer, ästhetischer, erkenntnistheoretischer, ontologischer oder politischer Natur – darf und muss daher vom Leib als Nullpunkt unseres materiell-biologischen sowie psychosoziokulturellen Koordinatensystems ausgehen. Das hat zur Folge, dass Leibliches und damit die Natur als Maßstab und Basso continuo selbst in hochgeistigen Debatten und Problemstellungen mit enthalten ist und nicht eliminiert werden darf. Auch als denkende und um Erkenntnis ringende Menschen sind wir Teil der Natur – ein Faktum, an das uns Phänomene wie Hunger, Krankheit, Müdigkeit, Schlaf oder Sexualität erinnern, und das wir aufgrund unserer Bewusstseins-Hybris immer wieder gerne vergessen und verdrängen.
Hans Bischlager hat diesen Gesichtspunkt sehr konsequent und gekonnt in den Mittelpunkt seiner Merleau-Ponty-Studie gerückt. Anhand ausgesuchter Problemfelder (Zwischenleiblichkeit, Kunst, Wahrnehmung, Sprache) gelingt es ihm zu zeigen, welch zukunftsweisendes Potential im Denken Merleau-Pontys enthalten ist, sobald man dieses nicht im Sinne einer Bewusstseins-, sondern vor allem einer Leibphilosophie begreift.