Zeile für Zeile mein Paradies - Bedeutende Schriftstellerinnen – 18 Porträts
Autor*in: | Jutta Rosenkranz |
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Verlag: | Piper Verlag, München 2014, 352 Seiten |
Rezensent*in: | Barbara Gucek |
Datum: | 01.10.2014 |
Das neue Buch Zeile für Zeile mein Paradies von Jutta Rosenkranz habe ich in diesem Sommer mit Begeisterung gelesen. Schon der Titel lässt vermuten, dass Themen wie Lesen oder Schreiben in dieser Veröffentlichung berührt werden. Tatsächlich versammelt die Autorin in diesem Band 18 Schriftstellerinnen-Porträts aus der Zeit der Renaissance bis zur Gegenwart. Bekannte, aber auch weniger bekannte Frauen wie Louise Labé, Marceline Desbordes-Valmore, Virginia Woolf, Katherine Mansfield, Ingeborg Drewitz, Ingeborg Bachmann und andere werden in Form von biografischen Essays vorgestellt.
Vergleicht man die dargestellten Frauengestalten miteinander, zeichnen sich im Leben und Werk viele Gemeinsamkeiten ab. Manche Frauen widersetzten sich in der Regel dem traditionellen Frauenbild, indem sie sich – wie Bettine von Arnim – gegen die strengen Konventionen auflehnten und auf das soziale Elend und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit hinwiesen. Andere thematisierten den Zwiespalt zwischen Freiheit und Abhängigkeit in einer von Männern dominierten Welt. Sie stellten die Moralvorstellungen ihrer Zeit in Frage und plädierten für die Demokratisierung der Gesellschaft.
Allen Frauen war gemeinsam, dass sie eigene Wege gingen und ihr eigenes Werk schufen. Einige brachen mit der Tradition und entwickelten einen Schreibstil, der auf feste Rhythmen und Reime verzichtete. Anderen wiederum gelang es, persönliche Erlebnisse und Erfahrungen in allgemeiner Form widerzuspiegeln. Marie Luise Kaschnitz war jemand, die zeitlose Gedichte schuf. In einem Gedicht, das auch den Titel Ein Gedicht trägt, beschreibt Kaschnitz die Mühsal schriftstellerischer Schaffensprozesse. Das Gedicht endet mit den Worten: „Zeile für Zeile, meine eigene Wüste / Zeile für Zeile mein Paradies.“
Jutta Rosenkranz hat als Leitmotiv den Schlussgedanken aufgenommen und ihrem Buch diesen Titel gegeben. Auch wenn Marie Luise Kaschnitz in vielerlei Hinsicht eine bessere Ausgangslage hatte als viele der dargestellten Schriftstellerinnen, hat sie, wie aus der nachfolgenden biografischen Skizze ersichtlich wird, auch persönliches Leid erfahren müssen. Marie Luise Kaschnitz (1901–1974) wuchs als Tochter eines preußischen Offiziers mit drei weiteren Geschwistern in einer privilegierten Umgebung auf. Sie selbst fühlte sich in der Familie ungeliebt und entbehrte Zuneigung und Zärtlichkeit der Mutter. Als junge Frau, sie hatte inzwischen eine Buchhändlerlehre absolviert, lernte sie den Archäologen Guido Kaschnitz von Weinberg kennen, mit dem sie eine glückliche Ehe führte. In den ersten Jahren schrieb sie oft heimlich, im Caféhaus, zwischen den Einkäufen. Es entstanden Texte: Gedichte, Erzählungen oder Hörspiele, die häufig mit ihrem persönlichen Leben zu tun hatten. In der eindrucksvollen Erzählung Das dicke Kindzieht sie Parallelen zur eigenen Kindheit, denn das dicke Kind ist sie selbst. Als ihr Mann 1958 starb, bezeichnete sie den Schicksalsschlag als den Höllensturz ihres Lebens. Im Alter von 73 Jahren hinterließ Kaschnitz ein Werk, in dem viel Autobiografisches verfremdet und verdichtet dargestellt wurde.
Jutta Rosenkranz, eine studierte Germanistin und Romanistin sowie Autorin einer Mascha-Kaléko-Biografie, ist es gelungen, einfühlsam Schriftstellerinnen–Porträts zu schreiben. Sie hat in wunderbarer Weise Details aus dem jeweiligen Leben der Schriftstellerin verknüpft und somit beinahe 18 neue Kunstwerke geschaffen.