Klassik in Zeiten der Revolution
Autor*in: | Hans-Jürgen Schings |
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Verlag: | Königshausen & Neumann, Würzburg 2017, 270 Seiten |
Rezensent*in: | Gerhard Danzer |
Datum: | 13.02.2018 |
Hans-Jürgen Schings (geboren 1937) ist emeritierter Germanist, der lange Jahre an den Universitäten Würzburg, Heidelberg und Berlin (Freie Universität) lehrte. Zu seinen Arbeits- und Forschungsschwerpunkten zählen die Epoche der Aufklärung und der Goethe-Zeit sowie – besonders hervorzuheben – die literarische Anthropologie. So untersuchte er etwa (ein anthropologisches Thema) die Emotion des Mitleids von Lessing bis Büchner. In den letzten Jahren beschäftigte sich Schings bevorzugt mit der Goethe-Zeit (Zustimmung zur Welt. Goethe Studien, Königshausen und Neumann, Würzburg 2011; Revolutionsetüden. Schiller, Goethe, Kleist. Königshausen und Neumann, Würzburg 2012). In diesen Kontext gehört auch der hier angezeigte Band über Klassik in Zeiten der Revolution.
Ausgehend von drei wesentlichen Vertretern der Weimarer Klassik (Goethe, Friedrich Schiller sowie Johann Gottfried Herder) untersucht der Autor ihre jeweiligen Haltungen und Positionierungen zur Französischen Revolution. So sehr man meinen möchte, dass sich die Weimarer Klassik in Separation und Distanz zu den revolutionären Veränderungen in Frankreich und darüber hinaus in manchen Staaten Europas entwickelt haben könnte, so sehr belehrt Schings den Leser eines Besseren.
Zwar registrierte etwa Goethe die Entwicklungen der Revolution im Nachbarland – insbesondere nach 1792, als sich zunehmend Terror und Brutalität unter den Revolutionären breit machte – zunehmend mit Widerwillen und Abscheu, und selbst Schiller, der anfänglich aufgrund der Freiheits-Ideen von der Französischen Revolution sehr begeistert war, distanzierte sich nach und nach von den neuen, teilweise erschreckenden linksrheinischen politischen Verhältnissen.
Schings zeigt nun anhand zentraler Begriffe der Weimarer Klassik, wie sehr diese auch in der Französischen Revolution zu zentralen Topoi der intellektuellen und politischen Auseinandersetzung gerieten. Freiheit, Frieden, Humanität, Solidarität, Erziehung, Kunst sind nur einige Beispiele für viele, an denen überzeugend demonstriert werden kann, dass sich die Revolutionäre an ähnlichen Problemstellungen wie die Vertreter der Weimarer Klassik abarbeiteten – freilich mit völlig anderen Methoden und mit völlig anderen Ergebnissen.
Dieses Resultat überrascht insofern nicht, als diese Begriffe aus der Epoche der Aufklärung stammten respektive im 18. Jahrhundert intensiv bedacht worden waren. Die Vordenker und intellektuellen Impuls-Geber der Französischen Revolution waren größtenteils auch Anreger für die Vertreter der Weimarer Klassik und vice versa. So weisen diese beiden gesellschaftlich-kulturellen Entwicklungen mehr Gemeinsamkeiten auf, als man auf einen ersten Blick vermuten kann, und Hans Jürgen Schings gelingt es auf elegante und gelehrte Art und Weise, diese latenten Verwandtschaftsverhältnisse transparent zu machen.