49
Rezensionen
ITGG Berlin - Rezensionen
#7C9CA4
#C66A13

Kunst & Literatur

Fräulein Nettes kurzer Sommer

Autor*in:Karen Duve
Verlag:Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020, 592 Seiten
Rezensent*in:Jutta Friederich
Datum:04.10.2023

Suchen Sie noch eine Lektüre für Ihren nächsten Urlaub? Dann kann ich Ihnen den kurzweiligen Roman Fräulein Nettes kurzer Sommer (2019) von Karen Duve (geb. 1961) empfehlen. Die Autorin, eine Wahlbrandenburgerin, fuhr 13 Jahre lang Taxi und hielt sich mit diversen Aushilfsjobs über Wasser, bis sie schließlich freie Autorin wurde.

Diese Schriftstellerin schildert mit viel Humor und Sprachwitz Annette von Droste-Hülshoffs  (1797-1848) junge Lebensjahre und erhielt für ihr gelungenes Zeit- und Gesellschaftsporträt viel Lob. Für ihre Recherche über Annette Droste-Hülshoffs Liebesabenteuer nutzte die Autorin diverse Tagebücher, „Lebensbeichten“ und Briefe von ehemals beteiligten Personen. Doch nun zum Roman:

Fräulein Nette (so wird Annette Droste-Hülshoff im Roman genannt) war ungewöhnlich und irgendwie aus der Art geschlagen, schriftstellerisch talentiert, aber gleichwohl das schwarze Schaf ihrer adeligen Familie. Als Frühgeburt kam sie in der Nähe von Münster auf die Welt, als ihre hochschwangere Mutter, Maria Therese Luise von Haxthausen (1772-1853), an einem klirrend kalten Januarmorgen des Jahres 1797 auf die fixe Idee kam, auf dem zugefrorenen Burggraben des Familien-Anwesens herumzuschlittern, und dabei prompt stürzte.

Annette, von zarter Statur, oft kränkelnd, hellhäutig und extrem kurzsichtig, nervte als Kind ihre Verwandtschaft mit hartnäckigen Fragen, war störrisch und vorlaut. Sie hatte in jungen Jahren eine Vorliebe für Mineralien entwickelt und liebte es, mit einem Berghammer bei Sonnenaufgang durch Mergelgruben zu ziehen und dort nach Steinen zu suchen, während ihre Verwandtschaft noch schlafend zu Bette lag. Kein Wunder, dass die Säume ihrer langen Kleider ständig verschmutzt waren - sehr zum Leidwesen ihrer Mutter.

Wenn ihr Onkel August von Haxthausen (1792-1866) seine Künstlerfreunde nach Hause zum ostwestfälischen Bökerhof brachte, um mit ihnen über Kunst und Politik zu plaudern, mischte sich Annette beinahe immer ungefragt ein. Wilhelm Grimm etwa geriet deshalb regelmäßig in Unruhe, wenn er Fräulein Nette schon von weitem sah.

Im Sommer 1820 verliebte sich Annette von Droste-Hülshoff in Heinrich Straube (1794-1847), ein aufstrebender Schriftsteller und Jurist, den sie über ihren Onkel August kennengelernt hatte. Heinrich Straubes Annäherungsversuche im Treibhaus der Familie Hülshoff blieben nicht unerwidert - allerdings war er in keiner Weise standesgemäß. Da er außerdem nicht der Einzige war, der um die junge Dame warb, nahm Fräulein Nettes Liebeskatastrophe ihren Lauf ...