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Rezensionen
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Ausstellungen

Modigliani. Moderne Blicke

Künstler*in:Amedeo Modigliani
Ausstellung:Museum Barberini, Potsdam
Rezensent*in:Barbara Gucek
Datum:10.05.2024

Die derzeitige Ausstellung im Museum Barberini Modigliani. Moderne Blicke beeindruckt Besucherinnen und Besucher durch den unverwechselbaren Stil des Künstlers. Dieser Stil, der in den Porträts und Aktbildern zu sehen ist, zeigt sich in der schwungvollen und eleganten Linienführung, in langgestreckten Köpfen und Hälsen oder in Augen mit oder ohne Pupillen. Trotz aller Besonderheiten gelang es Amedeo Modigliani, seine Modelle in ihrer ureigensten Schönheit darzustellen. In seinen Gemälden und Zeichnungen porträtierte der Maler oft Frauen, die ihre Emanzipation auch äußerlich zeigten.

Amedeo Modigliani wurde 1884 als italienisch-jüdisches Kind in Livorno geboren. Er war das vierte und jüngste Kind von Eugenia und Flaminio Modigliani. Vor dem Bankrott des familieneigenen Unternehmens lebte die Familie in relativ wohlhabenden Verhältnissen. Als sich das änderte, sorgte die Mutter, eine Französin, als Privatlehrerin für Sprachen und als Übersetzerin für das Auskommen ihrer Angehörigen. Infolge einer Typhuserkrankung erlitt Amedeo Fieberdelirien, in denen er phantasierte, Künstler werden zu wollen. Nach seiner Genesung erlaubte ihm seine Mutter, mit 14 Jahren die Schule abzubrechen und eine Kunstakademie zu besuchen. Später erkrankte er an Tuberkulose, was ihn in den folgenden Jahren nicht davon abhielt, in Florenz und Venedig Kunst zu studieren.

Als Modigliani 1906 in die Kulturhauptstadt Paris übersiedelte, ging es ihm darum, die neue Kunst, die Avantgarde, kennenzulernen. Junge Maler wie Picasso, Matisse und Braque, deren Werke für ihn sehr anregend waren, lernte er bald kennen. Er machte die Bekanntschaft mit dem deutsch-jüdischen Maler Ludwig Meidner, der ihn als Bohemien bezeichnete.

Amedeo Modigliani war ein attraktiver, stets gut gekleideter Mann, jedenfalls in seinen ersten Pariser Jahren, und liebte die Frauen, wie auch sie ihn liebten. Er trank, nahm Drogen, lebte zusehends in Armut, was ihn dennoch nicht davon abhielt, exzessiv an seiner Kunst zu arbeiten. Seine letzte Liebe war die junge Jeanne Hébuterne, selbst Malerin, mit der er eine Tochter hatte. Im Alter von nur 35 Jahren starb Amedeo Modigliani 1920 an den Folgen seiner Tuberkulose-Erkrankung. Bald darauf nahm sich Jeanne das Leben.

In seinen letzten Jahren kam es bei Modigliani zu einem beeindruckenden künstlerischen Reifungsprozess. Es entstanden Porträts und Aktbilder, die an die Tradition der Renaissance anknüpften. Im Jahre 1917 malte Amedeo Modigliani einige intime Frauenakte, einer mit dem Titel  Liegender Frauenakt auf weißem Kissen. Der Körper der jungen schlanken Frau wurde im Anschnitt, in der Bilddiagonale verortet, in liegender Position dargestellt. Der lang gestreckte Körper liegt auf einem roten Laken; dagegen sind Kopf und rechter Arm auf ein weißes Kissen gebettet. Arm. Körper, Gesicht, Nase und Mund sind mit schwarzen Linien konturiert. Der Körper der jungen Frau ist in Apricot gehalten, was ihn zum Leuchten bringt.  Das Modell schaut den Betrachter nicht unterwürfig, sondern selbstverständlich und natürlich blickend an.

Ebenfalls im Jahre 1917 malte Amedeo ein Brustbild von der Künstlerin Elena Povolozky, die in Paris mit ihrem Ehemann eine Galerie und Buchhandlung führte. Dunkle Ölfarben dominieren das Bild. Unter Elenas dunkelbrauner geöffneter Jacke ist eine weiße Bluse zu sehen, an der eine blaue Fliege befestigt ist. Die braunen Haare der Porträtierten sind zurückgekämmt, so dass das in einer hellen Hautfarbe gehaltene Gesicht großflächig erscheint. Elena lächelt nicht, sondern schaut selbstbestimmt und konzentriert in sich hinein. So blickend wirkt sie eigenständig. Wie bei den meisten seiner Gemälde verzichtete Modigliani überwiegend auf Interieurs. Wir entdecken aber auf diesem Bild links oben an der Wand den in einem schwungvollen Bogen geschriebenen Namen ELENA.

Es wird davon ausgegangen, dass Modigliani in seiner relativ kurzen Schaffensperiode rund 400 Gemälde und 25 Skulpturen hinterließ. Er hat einen eigenständigen, liebevollen Stil entwickelt, der uns heute noch verzaubert.

Literatur:  Modigliani. Moderne Blicke (Katalog), hrsg. von der Staatsgalerie Stuttgart und dem Museum Barberini, Potsdam, Prestel Verlag, München, London, New York 2023