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Rezensionen
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Ausstellungen

Maurice de Vlaminck. Rebell der Moderne

Künstler*in:Maurice de Vlaminck
Ausstellung:Museum Barberini, Potsdam
Rezensent*in:John Burns
Datum:02.10.2024

Wie sollen wir das künstlerische Werk eines Malers beurteilen, der während der Besetzung Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht Beziehung zu NS-Kulturfunktionären pflegte? Die Biographen des Malers Maurice de Vlaminck berichten sogar von einer von der Propagandastaffel der Nazis organisierten Fahrt nach Deutschland in November 1941, bei deren Gelegenheit der französische Künstler von der monumentalen Architektur der Nazis und von deren Kulturpolitik geradezu schwärmte.

Befremdlich wirkt auf mich auch die Tatsache, dass Maurice de Vlaminck im Jahre 1942 zwei polemische Artikel in der Zeitschrift Comoedia gegen seine einstigen Weggefährten Pablo Picasso und Henri Matisse veröffentlichte, denen er vorwarf, die französische Kunst in eine falsche Richtung gelenkt zu haben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verhängte der nationale Ausschuss zur Säuberung der Kunstmaler, Zeichner, Bildhauer und Graveure -  le Comité national d’épuration … - dem Maler ein einjähriges Ausstellungsverbot. Das Urteil gegen Maurice de Vlaminck fiel milde aus, so dass wir, die wir die NS-Zeit nicht erlebt haben, den innovativen Maler nicht verdammen dürfen. Wir sollten versuchen ihn zu verstehen und eventuell den Aphorismus der Madame de Stael (1766-1817) zu Herzen zu nehmen: Tout comprendre, c’est tout pardonner.  - Alles verstehen heißt alles verzeihen.

Die Ausstellung Maurice de Vlaminck im Museum Barberini in Potsdam würdigt die Leistung des Malers, ohne seine Verirrungen während der Nazi-Okkupation Frankreichs in den Vordergrund zu stellen. Wir sollen Maurice de Vlaminck  als „Rebell der Moderne“ kennenlernen, der seinen Stil stets veränderte und mit traditionellen Farbkombinationen und Maltechniken nie zufrieden war. Vlaminck war Autodidakt und besuchte keine Kunstakademie, weil er in seiner Entwicklung nicht beeinflusst werden wollte. Als junger Mann war Vlaminck Anarchist und mit Elisée Reclus befreundet.

Maurice de Vlaminck stammte aus bescheidenen Verhältnissen. Wie der Name verrät, kam sein Vater ursprünglich aus Flandern. Beide Eltern waren Musiker, so dass Maurice de Vlaminck in der Familie Geige lernte. Er war offensichtlich ein Multitalent, der auch schriftstellerisch tätig war. Er konnte sogar zeitweilig als Profi-Radfahrer seine Familie ernähren. Er wollte aber Maler werden und mit den Koryphäen seines Fachs mithalten, wenn nicht sogar sie übertreffen.

Der Künstler Vlaminck verdient die Bezeichnung „Rebell der Moderne“, weil er sich keiner Stilrichtung anpassen wollte. Er wehrte sich gegen jegliche Einordnung seiner Werke. Als er seine Bilder im salon d’automne von 1905 ausstellte, wurden er und seine Freunde wegen ihrer Vorliebe für starke Farben und kräftige Linien als les fauves, die wilden Bestien, bezeichnet, was dem Künstler nicht gefiel. Er grenzte sich mit seinem Stil von den Impressionisten deutlich ab und wollte weder Kubist noch Surrealist sein; er war er selbst.  

Obwohl Vlaminck hauptsächlich Landschaften malte, sind einige Porträts, die im ersten Ausstellungsraum hängen, sehr beeindruckend. Ich fand Das kleine Mädchen mit der Puppe besonders ausdrucksstark. Das Bild eines jungen Mädchens, das den Maler und die Ausstellungsbesucher etwas feindselig anschaut, soll nach Interpretation des Ausstellungskurators die Abwehr des Mädchens gegen das Porträtiert-Werden ausdrücken. Die Puppe, die sie in den Händen hält, liegt auf der horizontalen Achse des Bildes steif und beinahe tot da. Somit wirft das Bild Rätsel auf, weil das Mädchen wie erstarrt dasteht. Ihre Haltung drückt möglicherweise mehr aus als nur Trotz oder Schüchternheit. 

Nach meinem Besuch der Ausstellung empfand ich nicht, dass die Welt um mich herum heller erschien als sonst. Während ich mir beim Verlassen des Museums von der Leichtigkeit des Seins der Impressionisten gerne etwas mitnehme, sind die farbprächtigen Bilder Vlamincks eine Herausforderung. Nicht zufällig, so schien es mir, erzählte ein Kunstwissenschaftler während seiner Führung durch die Ausstellung überwiegend von Pinselstrichen und Farben. Maurice de Vlaminck drängt den Landschaften, die er malt, sein kräftiges Farbverständnis auf. Die Natur ist in seinen Bildern nicht zierlich und schön, sondern oft expressionistisch und überwältigend.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte Vlaminck zurückgezogen in Rueil-la-Gadelière im Département Eure-et-Loir. Seine letzten Bilder wirken eher dunkel und depressiv. Maurice de Vlaminck wurde 1876 in Paris geboren und starb 1958 in Rueil-la-Gadelière. Auf dem Grabstein des Malers steht die Inschrift:

Je n‘ai jamais rien demandé. / La vie m’a tout donné. / J’ai fait ce que j’ai pu. / J’ai peint ce que j’ai vu (Ich habe nie etwas gefordert. / Das Leben hat mir alles gegeben. / Ich tat, was ich konnte. / Ich malte, was ich sah). So war er eben, der Maler Maurice de Vlaminck.

Internetquelle

http://fr.wikipedia.org/wiki/Maurice_de_Vlaminck, 30.09.2024